2 Jahre mit Typ 1 Diabetes – was ich gelernt habe

Am 09.10.2020 jährte sich meine Diagnose zum zweiten Mal – Wahnsinn, wie die Zeit doch verfliegt. Abgesehen von dem turbulenten Jahr 2020, hat sich auch viel bei mir und meinem Diabetesmanagement geändert. Vom Pen zur Pumpe, vom blutigen Messen zum Libre 1, zum Dexcom G6 und zack zurück zum Libre 2. Von Problemen mit dem Essen zu einem (mehr oder weniger) normalen Verhältnis zu Lebensmitteln. Von Angst und Panik vor der Zukunft, hin zu einer positiven und optimistischen Einstellung zum Leben. Die vergangenen zwei Jahre waren eine Achterbahnfahrt, aber wisst ihr was? Ich bin mir ziemlich sicher, dass es sie auch ohne den Diabetes gewesen wäre.

Als ich zu Gast beim Blood Sugar Lounge Podcast war, hatte ich es bereits erklärt. Ich habe die Diagnose erst relativ spät mit 23 erhalten. Viele von euch leben vermutlich schon etwas länger mit dem Begleiter und erinnern sich vielleicht gar nicht mehr an „das Leben ohne den Diabetes“. So viel anders ist es aber gar nicht. Ja, man hat ohne den Diabetes nicht die Sorgen um Blutzuckerverläufe, -schwankungen oder Spätfolgen. Man hat auch keine schlaflosen Nächte aufgrund einer Hypo oder Hyper. Man hat aber andere Sorgen und schlaflose Nächte aufgrund anderer Dinge. Dinge, die für mich jetzt nicht mehr so viel Relevanz mehr haben, weil ich gemerkt habe wie unwichtig sie doch eigentlich sind.

Versteht es jetzt bitte nicht falsch, ich sage nicht, dass ein Leben mit Diabetes besser ist als ohne! Ich habe auch noch andere Sorgen, die nicht einfach verschwinden und ich wünsche mir auch, dass ich irgendwann ohne den Diabetes leben kann. Aber ich habe gelernt, dass es Dinge gibt, die ich einfach nicht ändern kann und akzeptieren muss. Klar, man hat als Mensch mit Diabetes generell Sorgen, die ein gesunder Mensch nicht hat – das muss ich wohl kaum einem erklären. Er hat mir aber gezeigt, dass ich mehr in mich selbst vertrauen muss und das Leben trotz der Krankheit sehr lebenswert ist.

Der Diabetes hat mich gelehrt, dass sich im Leben alles sehr schnell ändern kann – von einer Sekunde auf die andere bekommst du eine Diagnose, die dein gesamtes Leben verändern soll. Er hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, dass ich gut mit meinem Körper umgehe – sei es die Ernährung, Bewegung, regelmäßige Checks beim Doktor oder die Körperpflege (Stichwort: Hautcreme!).
Ja, es ist vieles schwerer, komplizierter und ich bin vielleicht nicht mehr so spontan unterwegs wie ich es vor zwei Jahren hätte sein können.  Aber mit der richtigen Organisation funktioniert das auch (okay, ich bin ein kompletter Organisations- und Planungsfreak). Vorbereitung ist alles – dann ist auch immer das „To go Täschchen“ für spontane Ausflüge bereit zur Abfahrt.

Balance ist das Codewort

Es wird keinem gelingen optimale Blutzuckerverläufe, friedliche Nächte und keine Spätfolgen ohne das kleinste bisschen an Aufwand zu haben – das sollte klar sein. Der Diabetes darf aber auch nicht der Lebensmittelpunkt werden. Am Anfang meiner „Diabeteskarriere“ war er das und das ist auch wichtig! Man muss sich ein Grundverständnis und genügend Wissen aneignen, sich mit dem Diabetesalltag einspielen und seine Tücken identifizieren. Nur so kann man es später schaffen, dass das Leben wieder an Balance gewinnt. Es gibt sehr intensive Tage, an denen sich fast alles nur um meine Krankheit dreht (Telefonate mit der Krankenkasse, Bestellung an Zubehört und Medikamenten, Arztbesuche, Schmerzen, Gefühle, …) und es gibt Tage, an denen ich nur das Mindeste an Energie hineinstecken muss, weil einfach mal alles läuft. Zu wissen, dass es gute wie schlechte Tage gibt und sich immer wieder vor Augen zu führen, dass dies völlig normal ist, dürfen wir nicht vergessen.

Aber auch das Verständnis der Außenstehenden ist enorm wichtig, auch das habe ich in den vergangenen zwei Jahren gelernt. Menschen, die meine Krankheit nicht verstehen wollen oder meinen, dass es ja alles super einfach ist, die haben bei mir nichts mehr verloren. Anfangs machte ich mir viele Sorgen um diese Art von Menschen, mittlerweile gehen deren Aussagen in das eine Ohr hinein und aus dem anderen direkt wieder raus. Diese Ignoranz hat in meinem Leben nichts mehr zu suchen – früher nahm ich es aber sehr ernst und habe meinen eigenen Selbstwert herunter gespielt. Man merkt mit der Zeit wer wirklich ein Freund oder doch nur ein Fremder ist. Menschen, denen man wichtig ist, versuchen sich mit der Krankheit auseinander zu setzen und sind offen gegenüber dem Lernen. Tun sie es nicht und blocken komplett ab zeigt mir nur, dass ich ihnen nicht wichtig genug bin. Das klingt vielleicht sehr harsch, aber ich lebe nicht mit einer leichten Erkältung, sondern mit einer chronischen Krankheit.

Wie mein verstorbener Freund einmal zu mir gesagt hat:


Du bist eine verdammt starke Frau, weil du jeden Tag mit der Krankheit lebst und die Kraft dafür hast.

Und er hat Recht – wir sind alle verdammt stark und auch das habe ich (leider) erst durch den Diabetes gelernt.

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